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Bellende Hunde und Gestank in Auschwitz

13.10.2018 11:30

Bellende Hunde und Gestank in Auschwitz
Cornelia Schönwald liest im Stiftischen Gymnasium aus dem Buch der Holocaust-Überlebenden Anita Lasker-Wallfisch (Dürener Zeitung, 13.10.2018)
Düren. „Es fing nicht mit Gaskammern an. Es fing an mit einer Politik, die von ‚wir‘ gegen ‚die‘ sprach. Es fing an mit Intoleranz und Hassreden. Es fing an mit der Aberkennung von Grundrechten. Es fing an mit brennenden Häusern. Es fing an mit Menschen, die einfach wegschauten“, zitiert Cornelia Schönwald eine Passage, die sie in den vergangenen Tagen häufig auf Facebook gefunden hat. Schönwald ist Schauspielerin und las auf Einladung der Bürgerstiftung im Stiftischen Gymnasium in Düren aus den Erinnerungen von Anita Lasker-Wallfisch. Die hatte im Mädchenochester von Auschwitz gespielt und dadurch den Holocaust überlebt. Knapp. Mit nicht verheilenden Wunden. Vor kurzem hatte Lasker-Wallfisch (92) eine Rede im deutschen Bundestag gehalten.
 
Schönwalds angenehme warme Stimme kontrastiert den grausamen Inhalt des Buchs. Die Sätze von Lasker-Wallfisch sind oft knapp. Meistens nüchtern gehalten. Aber Begriffe wie „spontane Volkswut“ lassen Bilder entstehen. Erzählen davon, wie kein arischer Lehrer mehr in Breslau Ende der 30er Jahre ein jüdisches Mädchen am Cello unterrichten wollte.
 
Zu diesem Zeitpunkt ist Anita Lasker-Wallfisch 13 Jahre alt und der Vater in großer Sorge, wie es für ihn, seine Frau und die drei Töchter weitergehen soll. Und obwohl er bereits eine Judenvermögenssteuer und eine Reichsfluchtsteuer gezahlt hat, kann die Familie nicht nach Amerika auswandern. Eingangs hatte Helga Meusemann von der Bürgerstiftung auf die Spuren von jüdischen Menschen in Düren hingewiesen, auf Stolpersteine und Rückriemstelen. Die Lesung wird immer wieder unterbrochen von Cello-Stücken, gespielt von Cornelia Briese.
 
„Mutti hat viel geweint“ und „Vati ist in dieser Nacht um 20 Jahre gealtert“, beschreibt die Autoren die Nacht vom 8. auf den 9. April 1942. Jene Nacht, in der ihr Vater ihr alle Vollmachten überträgt und auf die Deportation wartet.
 
Die Aufzeichnungen Lasker-Wallfisch handeln von der eigenen Deportation, vom Austausch mit französischen Kriegsgefangenen über ein Loch in der Toilettenwand, vom Abschied von der Schwester Renate und einem späteren Wiedersehen. Das sind Erinnerungen an Auschwitz, verbunden mit bellenden Hunden, mit Gestank und Geschrei. Da ist die Zahl 69388, die der KZ-Insassin mit einer unsterilen Nadel auf den Arm tätowiert wird. Und da sind die Schlager und Walzer, die sie mit dem Mädchenorchester spielt. Als dann Cornelia Briese einen Walzer auf dem Cello anstimmt, haben die Zuhörer schwer zu schlucken. Dann die Befreiung aus dem Lager: „Ich war 19 Jahre alt und fühlte mich wie 90.“ Später sollte es der Autorin, die als Dolmetscherin arbeitete, schwer fallen, einem deutschen Menschen ins Gesicht zu sehen. (wey)
 
Über diesen Verweis können Sie sich den Artikel auch vorlesen lassen: https://youtu.be/ps2rPEgnclA.
 

Autor: Olschewski